Über die Woldleut

Durch die Erschließung der undurchdringlichen Wildnis derThüringer Wälder im Hochmittelalter, kamen die ersten Menschen nicht nur periodisch zum Jagen, auf der Suche nach verwertbaren Bodenschätzen oder zur Nutzung der Holzreichtümer für die wandernden Waldglashütten ins Gebirge, sondern bedienten den Markt mit ihrem eigenem typischen Produkt aus den Wäldern. Sie wurden hier heimisch und betrieben unter meist ungünstigen natürlichen Bedingungen nebenbei Landwirtschaft, die jedoch oft nicht derEigenversorgung genügte. So blieben für den Wäldler die Waldressourcen zum Überleben. Man stellt sich den Waldbewohner leicht als Forst- und Holzknecht, Schnitzer, Köhler oder Flößer vor, dessen Frau morgens das Kleinvieh versorgte und die zusammen bis spät abends „Thüringer Waldwerk“ in ihrer Hütte fertigten. Doch immer weitere geniale Erfindungen (Saigerverfahren, Stücköfen, Porzellan) und Entdeckungen ließen die Rodungsinseln zu größeren Siedlungen anwachsen, deren Bewohner sich auf Grundlage ihrer naturräumlichen Möglichkeiten auf die Herstellung bestimmter Produkte spezialisierten. Die geologische Besonderheit des Sandberges ließ im Zusammenhang mit dem Holzreichtum rund um das Glaszentrum Lauscha zahlreiche weitere Glashütten entstehen und der hohe Kaolingehalt des Sandes war auch Grundstoff für den Nacherfinder des Porzellans hier am Rennsteig und die Ausbreitung der Porzellanindustrie in die Nachbarorte. Näher am Wald waren die Zunderschwammklopfer und Buckelapotheker, Rußbrenner und Bergleute. Zahlreiche Kaufleute überwanden die Mittelgebirgsbarriere mit Hilfe der findigen Gebirgsbewohner. Sie gaben Vorspann für die Steilstrecken, Stenkerer schmierten die Achsen mit einer Mischung aus Pech und Holzkohle und in den typischen Fuhrmannsdörfern kümmerte man sich um die Reisenden, die Versorgung der Zugtiere und die Karren. Pech und Holzkohle waren auch begehrte und leicht zu transportierende Waldprodukte, die Harzer, Pechsieder und Köhler in den schwerer zugänglichen Bergen herstellen konnten. Für den Langholztransport baute man an den wasserreichen Gebirgsbächen Flößteiche, damit die wertvollen Stämme schneller in die Städte des Holzzeitalters transportiert werden konnten. Scheinbar wertvolle Bodenschätze zwischen Schiefern und Quarziten ließen kurzzeitig Goldbergwerke entstehen und über Jahrhunderte eine Eisenverarbeitung erblühen. Aber auch die Steine selbst brachten Reichtum. Schon seit dem frühen Mittelalter waren die kostbarsten Wetzsteine begehrte Handelsware bis hinauf an die See. Steinreiber richteten sie zu und Sonneberger Kaufleute vertrieben sie weltweit. Später nutzte man die Schieferung der Gesteine für die Vermarktung als Dach- und Tafelschiefer und nach derReformation lernten die Kinder mit den Griffeln schreiben, die Griffelmacheraus den Griffelbrüchen um Steinach abbauten. Zwischen den Schieferbrüchen und Eisenerzbergwerken zogen Hirten auf Triften und der Wäldler hinauf zu seiner Bergwiese zu Heuernte. Pflanz- und Holzweiber zogen auf schmalen Pfaden durchs Gebirge und hörten vom Tal herauf die Geräusche der Massemühlen für die Porzellanfabriken und der zahlreichenSägewerke. Im Winter, wenn viele Arbeiten im Gebirge ruhen mussten, fertigtenBergleute, Eisenschmelzer und Köhler in Heimarbeit Holzwaren und erstes Spielzeug und begründeten einen neuen Wäldlerzweig – den hausindustriellenSpielzeugmacher.